„Brenne, meine Asche!“

Zitate aus dem Werk

O heilges Eseltum, o heilge Ignoranz!
O heilge Dummheit, heilge Devotation!
Du ganz allein verschaffst ein Glück uns ganz,
Das keiner Geistesarbeit wird zum Lohn!

Nie ja wird mühevolle Vigilanz
Der Kunst, sei noch so groß die Invention,
Nie eines Denkers Kontemplation
Erlangen deines Heiligenscheines Kranz! -

Was nützt euch Forschern alles Studium,
Was grübelt ihr mit wissbegiergem Hirn,
ob Feuer, Erde, Meer hat ein Gestirn? –

Nicht kümmert heilges Eseltum sich drum;
Es beugt die Knie, es faltet fromm die Hände,
Erwartet, dass der Herr ihm Segen spende;

Denn höher als Vernunft ist jener Frieden,
Der frommen Seelen nach dem Tod beschieden!
Vergänglich ist, was man auch treibt hinieden!

***

Toren in der Welt sind jene gewesen, die die Religion, die Zeremonien, das Gesetz, den Glauben, die Lebensordnung begründet haben; die größten Esel der Welt, die jedes anderen Sinnes bar und alles geselligen Lebens und geselliger Gesittung entbehrend in beständiger Pedanterie wandeln ... Sehet zu, ob [sie] sich um die geheimen Ursachen der Dinge jemals bekümmert, ob sie Verzeihung üben, sollten auch Reiche zerstört, Völker zerstreut, sollte auch alles mit Brand, Blut, Ruin und Verwüstung erfüllt werden; ob es ihnen zu Herzen geht, dass die ganze Welt durch sie dem Untergang geweiht wird!

***

[...] Bemüht Euch also, bemüht Euch, Esel zu werden, die ihr Menschen seid; und Ihr, die Ihr schon Esel seid, studiert, bemüht Euch, strengt Euch an, immer vom Guten zum Besseren zu schreiten, damit Ihr zu dem Ziel gelangt, zu jener Würde, die man nicht durch Wissenschaft und Werke, wie groß sie auch seien, sondern durch Glauben erlangt; und die man nicht durch Unwissenheit und Untaten, wie groß sie auch seien, sondern durch Unglauben […] verliert. [...]

***

[...] kehrt Euch zum Guten, lasst ab von der tödlichen Herrlichkeit des Herzens, zieht euch zurück in die Armut des Geistes, seid bescheiden im Geiste, schwört der Vernunft ab, löscht dies glühende Licht des Intellekts, das Euch entbrennen lässt, Euch verbrennt und Euch aufzehrt, flüchtet die Grade der Wissenschaft, die Eure Schmerzen nur vergrößert, schwört jedem Sinn ab, werdet zu Gefangenen des heiligen Glaubens [...]

***

Lachhaft, zu sagen, jenseits des Himmels sei nichts… Die herkömmliche Ordnung ist ein inhaltsleeres Phantasiegebilde… So gibt es nicht eine einzige Welt, eine einzige Erde, eine einzige Sonne, sondern so viele Welten, wie wir leuchtende Funken über uns sehen.

***

Wir werden einsehen, dass es nur einen Himmel, eine unendliche Ätherregion gibt, in der diese herrlichen Lichter ihre ihnen gesetzten Entfernungen wahren und am ewigen Leben teilnehmen... So erkennen wir die unendliche Wirkung der unendlichen Ursache, den wahren und wirklichen Abglanz der unendlichen Kraft und brauchen die Gottheit nicht in der Ferne zu suchen, sondern wir haben sie in unmittelbarster Nähe, ja in uns selber; wir leben und weben in ihr; ebenso wie die Bewohner der anderen Welten sie nicht bei uns, sondern in ihrer unmittelbaren Nähe und in sich und sich in ihr haben; denn der Mond ist nicht mehr Himmel für uns als wir für den Mond ... So liegt denn ein tiefer Sinn in den Versen:
Was sucht Ihr das Paradies in der Ferne?
In der eigenen Brust sind Eure Sterne!

***

Also ist das Weltall Eins, unendlich, unbeweglich.
Eins sage ich ist die absolute Möglichkeit.
Eins die Wirklichkeit,
Eins die Form der Seele,
Eins die Materie oder der Körper,
Eins die Ursache,
Eins das Wesen,
Eins das Größte und Beste.

***

Es hindert nichts anzunehmen, dass nach dem Klange der Leier des universalen Apollo (des Weltgeistes) die unteren Organisationen stufenweise zu den höheren berufen werden resp. die unteren Stufen durch Mittelglieder hindurch in die höheren übergehen [...] Die Natur deutet jede species zuerst an, bevor sie dieselbe ins Leben treten lässt. So bildet immer die eine Gattung den Ausgangspunkt der anderen, wie denn von der Gestalt eines Embryo aus ein ununterbrochener Übergang sowohl zu der Gattung Mensch, als zu der Gattung Tier gegeben ist.

***
Die Seele des Menschen ist gleich der Fliegen, Austern, Pflanzen und jedwelchen Dinges, das belebt ist oder Seele hat. […] Ich komme dahin, dass, wenn es möglich oder sich tatsächlich ereignete, dass ein Schlangenkopf sich in die Form eines Menschkopfes bilden und winden würde und die Brust in der diesem Maß entsprechenden Größe wachsen würde, wenn die Zunge sich verlängern, die Schultern sich verbreitern, die Hände und Arme sprießen und am Schwanzende Beine wachsen würden, dass die Schlange dann nicht anders verstünde, erschiene, atmete, spräche, handelte und liefe als ein Mensch, weil sie nichts anderes wäre als ein Mensch. Wie andererseits der Mensch nichts anderes als eine Schlange wäre, wenn er Beine und Arme wie in einem Stock zusammenzöge […], er sich verschlängelte und all jene Gestaltungen der Glieder und Eigenschaften des Körperbaus annähme. Dann hätte er einen mehr oder weniger lebhaften Geist, statt zu sprechen, zischelte er, statt zu laufen, schlängelte er sich, statt sich Häuser zu erbauen, grübe er ein Loch, und dies entspräche ihm mehr als ein Zimmer […] Folglich könnt ihr verstehen, dass es möglich ist, dass viele Tiere über mehr Talent und mehr Geisteslicht verfügen als der Mensch […], aber durch Mangel an Werkzeugen ihm unterlegen sind, wie jener ihnen durch Reichtum und Gabe derselben so weit überlegen ist. [...]

***

Wie Schuldgefangene, die, nur noch an Finsternis gewöhnt und zum Licht befreit, dem Schlunde des dunklen Turmes entstiegen, so mögen viele, in dürftiger Philosophie geschult, erschrecken, und andere in staunender Verwirrung außerstande sein, die neue Sonne Deiner hellen Gedanken zu ertragen ... Das Wagnis, das Du, auf dich genommen hast, ist schwer ... Du willst uns vom dunklen Boden aufscheuchen und zum offenen, ruhig, hehren Blick der Sterne emporführen.

***

Da die Zahl der Unverständigen und Schlechten unvergleichlich größer ist als die der Weisen und Gerechten, so kommt es, dass, wenn ich nach Ruhm oder anderen Früchten, die die Stimmenmehrheit verteilen kann, streben wollte, ich soweit entfernt bin, auf einen günstigen Erfolg meiner Studien und Arbeiten zu hoffen, dass ich […] es […] vorziehe, lieber zu schweigen als zu sprechen. Setze ich jedoch mein Vertrauen auf das Auge der ewigen Wahrheit […], dann geschieht es, dass ich um so mehr meine Kraft anstrenge, dem Laufe des tosenden Stromes entgegenzuschwimmen, je mehr Stärke ich ihm von der wirbelnden, tiefen, wilden Flut zugeführt sehe.

***

Wer richtig urteilen will, muss […] vollständig ablassen können von jeder Glaubensgewohnheit, die er von Kindheit an in sich aufgenommen. […] Die allgemeine Meinung ist nicht immer die wahrste.

***

Wir kümmern uns nicht darum, was die Meinung dummer Leute über uns sagt, oder was von irgendwelchen Stühlen gnädig verlautet.

***

Das Urteil wird dort gesprochen werden, wo heldenhafte Taten und Anstrengungen nicht als wertlose und unnütze Früchte angesehen werden, wo es nicht als Gipfel der Weisheit gilt, alles ohne Unterschied zu glauben, wo man es nicht als eine gottgefällige und von übermenschlicher Frömmigkeit zeugende Handlung betrachtet, das Naturgesetz zu verfälschen, wo ernstes Studium nicht als Narrheit gilt, wo die Ehre nicht in habsüchtigem Zusammenraffen von Eigentum besteht, die Würde nicht in der Kleiderpracht, die Wahrheit nicht in Wundergeschichten, die Klugheit nicht in Arglist, die Freundlichkeit nicht in Verräterei, die Lebensart nicht in Lug und Trug, die Tapferkeit nicht in der Wut, das Gesetz nicht in der Gewalt, die Gerechtigkeit nicht in Tyrannei, die Rechtspflege nicht in Vergewaltigung und so fort durch alle Beziehungen der Menschen zu Menschen hindurch.

***

Entfesselt also und frei,
Und wohlgemut schau’ ich keine „Beweger“ ;
In Nichts sank das Kunstwerk
Der kreisenden Sphären!
Dummer Glaubenswahn nur bürdet auf
Den Gehirnen Zentnergewichte,
Und Lügen des Wahns
Belasten Typhon;
Der Wissenschaft Hand
Befreite sie Alle
Löste die Ketten und gab sie
Dem Sterne zurück.
Ja, ich trage den Stern
Und der Stern trägt mich selber,
Ich trage den Himmel
Und der Himmel trägt mich,
Die Lasten des Atlas
Müssen mir leicht sein!

***

So kann ein einzelner, obwohl er allein steht, siegen, und schließlich wird er auch über die allgemeine Unwissenheit den Sieg davontragen und triumphieren; denn in der Tat, alle Blinden wiegen nicht einen einzigen Sehenden auf, und alle Narren können vereint nicht einen einzigen Weisen überwinden.

***

In einem so schönen Feuer, in einer so edlen Schlinge macht mich Schönheit brennen und verstrickt mich Anmut, dass ich Flamme und Knechtschaft nur genießen kann, die Freiheit fliehn und das Eis fürchten. Es ist ein Brand von solcher Art, dass ich brenne, aber nicht verbrenne. Es ist ein Knoten solcher Art, dass die Welt ihn mit mir lobt; weder vereist mich die Furcht, noch entfesselt mich der Schmerz, sondern ruhig ist das Brennen, süß die Verstrickung. So hoch oben nehme ich das Licht wahr, das mich entflammt, und aus so reichem Garn ist meine Schlinge geknüpft, dass die Sehnsucht stirbt, sobald ich anfange zu denken. Weil meinem Herzen eine so schöne Flamme leuchtet und ein so schönes Band mein Wollen fesselt, sei denn ein Sklave, mein Schatten, und brenne, meine Asche...

***

Textzusammenstellung: Dr. Michael Schmidt-Salomon / Elke Held (Giordano Bruno Stiftung)
Vorgetragen von Ulrich Matthes (Deutsches Theater, Berlin) im Rahmen einer Veranstaltung an der Humboldt-Universität Berlin am 3.3.2008 anlässlich der Aufstellung der Giordano-Bruno-Skulptur von Alexander Polzin am Potsdamer Platz.

START | GIORDANO BRUNO | DAS DENKMAL | VERWEISE | IMPRESSUM